Über die Vermehrung von Freilandorchideen
Es gibt im wesentlichen zwei Vermehrungsarten:
die generative Vermehrung = Zucht aus Samen und
die vegetative Vermehrung = Zucht aus Pflanzenteilen.
Bei der generativen Vermehrung bestehen drei Möglichkeiten: Aussaat im Freien (1), symbiotische Aussaat (2) und asymbiotische Aussaat (3).
-
Das Ausbringen von Orchideen-Samen im Freiland bringt in der Regel nichts, da die meist zur Keimung notwendigen Symbiosepilze in unseren Gärten fehlen. Wer es dennoch versuchen möchte, sollte darauf achten, dass die Samen möglichst in die tiefer liegenden Substratschichten etwa im Wurzelbereich der Mutterpflanze gelangen und nicht nur auf der Oberfläche ausgestreut werden. Rund um die Wurzeln ausgereifter Orchideen besteht noch am ehesten die Wahrscheinlichkeit, dass die Samen auf die benötigten Symbiosepilze treffen. Eine Keimung auf der Erdober-fläche wird erfahrungsgemäß nicht stattfinden.
-
Die symbiotische Aussaat benutzt den Symbiosepilz der Mutterpflanze. Dieser wird isoliert, in Nährlösung vermehrt und anschließend in ein natürliches, aber sterilisiertes, gut luftdurchlässiges Humus-Substrat eingebracht. Sobald das Substrat von dem Pilz durchwachsen ist, werden die desinfizierten Samen eingebracht. Wie bereits die Beschreibung zeigt, ist diese Vermehrungsart sehr umständlich, zeit-intensiv und daher wenig gebräuchlich.
-
Bei der asymbiotische oder in-vitro Aussaat werden ebenfalls Labor-bedingungen benötigt. Hierbei wird anstelle des natürlichen Symbiosepilzes eine künstlich hergestellte Nährlösung benutzt, aus der der Samen seine für die Keimung benötigten Nährstoffe erhält.
-
Für diese Nährlösungen, bei denen es von Gattung zu Gattung und Art zu Art andere Zusammensetzungen gibt, werden für den Laien so exotische Chemikalien wie KH2PO4, H3BO3, L-Glutamin, Pyridoxin-HCI und noch ca. 20 weitere verwendet. Das alles liest sich sehr kompliziert, ist es auch, nur wenn die Nährlösungen einmal vorhanden sind, kann es sehr ertragreich sein. Die kritischen Punkte sind hierbei das sterile Arbeiten und das Auspikieren der auf sterilen Nährlösungen gezogenen Pflänzchen in die rauhe Realität.
-
Ein paar Bilder von Cypripedium-Sämlingen finden Sie als Lightbox-Fenster unter dem Link.
-
Wer an weiteren Einzelheiten interessiert ist, sei auf die ausführlichen Berichte von Herrn Dr. Claus Rüdiger Bernert unter dem Link Gastbeiträge > Aussaat von Freilandorchideen auf dieser Website oder auch auf die Homepage von Frank Meissner verwiesen.
Auch für die vegetative Vermehrung gibt es mehrere Möglichkeiten:
-
Bei der in-vitro Meristen-Kultur, der bei Profis wahrscheinlich verbreitesten Vermehrungsart zumindest soweit es tropische Orchideen betrifft, neuerdings aber auch bei einigen Cypripedien in Anwendung, werden ebenfalls sterile Bedingungen benötigt. Hierbei wird aus einem jungen, neuen Trieb der Kern entnommen und in einer Nährlösung kultiviert. Diese Kulturen mit täglich zu erneuernden Nährlösungen werden ununterbrochen in Bewegung gehalten. Die hierbei entstehende Zellmasse kann beliebig oft geteilt und auf die selbe Art weiter vermehrt werden. Sobald die Zuchtflaschen mit dieser Masse ruhig gestellt werden, orientieren und sammeln sich die Zellklumpen und entwickeln auf einem neuen, festen Nährboden Spross und Wurzeln, die dann wie normale Sämlinge weiterkultiviert werden.
-
Die vegetative Vermehrung durch den allmählichen Sprosszuwachs, gegf. mit späterer Teilung der Rhizome oder Knollen, ist für den interessierten Liebhaber ausreichend, auch wenn die Teilung solcher im Laufe von Jahren groß gewordener Horste insbesondere von Cypripedium durch die schon erwähnten Gefahren von Totalausfällen meiner Meinung nach weitgehend vermieden und auf das unbedingt notwendige beschränkt werden sollte. (Falls es notwendig ist, dazu HIER mehr.) Besonders die sofortige Teilung gerade erst erworbener mehrtriebiger Pflanzen sollte tunlichst unterlassen und auf gut eingewöhnte, starke Pflanzen beschränkt werden. Der optimale Zeitpunkt für solche Teilungen ist von Art zu Art unterschiedlich. Bei den Cypripedien eignet sich sowohl die beginnende Ruhephase, also Ende September/Oktober nach dem völligen Einzug des Blattwerks, wie auch das zeitige Frühjahr oder die Zeit direkt nach der Blüte. Epipactis teile ich nach der Blüte. Jedes geteilte Rhizomstück muss mindestens einen Triebansatz haben und sollte ebenso mindestens ca. 3, besser 5 cm lang sein. Die Knollen von Dactylorhiza werden im späten Frühjahr oder im Frühsommer zur eigentlichen Blütezeit geteilt, nachdem man zuvor allerdings den Blütenstand frühzeitig entfernt hat. Geteilt wird mit einem sauberen, scharfen Messer und Schnittstellen werden sorgfältig mit Holzkohlestaub eingepudert.
-
Schließlich ist noch die Vermehrung aus sogen. Bulbillen = Brutzwiebeln bei Pleione zu erwähnen. Näheres hierzu siehe weiter unten.
Noch etwas zu den Cypripedien:
Hier gab mir ein langjähriger Orchideenzüchter bei Erwerb meines ersten Frauenschuh folgenden Rat mit auf den Weg, den ich zwischenzeitlich aus eigenen, teils leidvollen Erfahrungen nur bestätigen kann:
Das erste Jahr nach dem Um- oder Einsetzen kämpft die Pflanze nur um ihr Überleben. Sollte man einen blühfähigen Trieb gekauft haben, der sofort im ersten Jahr eine Knospe austreibt, empfiehlt es sich, diese noch vor dem Aufblühen auszuknipsen, um der Pflanze bei ihrem Überlebenskampf die Kraft für die Blüte zu ersparen (Trieb und Knospe bilden sich im Vorjahr, so dass deren Anlage bei einem Neuerwerb schon vorhanden ist.)
Im zweiten Jahr etabliert sich die Pflanze. Sollte jetzt wieder eine Knospe erscheinen, kann diese belassen werden.
Ab dem dritten Jahr beginnt eine gut angewachsene, gesunde und sich wohl fühlende Cypripedium mit der Triebvermehrung, wobei sich im Idealfall ab diesem Zeitpunkt oder dem Folgejahr die Anzahl der Triebe von Jahr zu Jahr verdoppelt.
Die Triebvermehrung i.S. einer jährlichen Verdoppelung ist sicherlich nicht wörtlich zu nehmen (siehe auf der Seite Statistik) und auch von Art zu Art unterschiedlich; die eine ist etwas fleißiger, wie z.B. die Hybriden „Michael“ und „Ulla Silkens“ aber auch die Naturform C. calceolus, die andere lässt sich stets etwas mehr Zeit, wie z.B. C. flavum und „Aki“. Die sich aus den jeweiligen klimatischen Bedingungen und Kulturmethoden ergebenden Unterschiede kommen noch hinzu.
Diese vegetative Vermehrung kann im Übrigen verstärkt werden, wenn man noch vor dem Erblühen den Trieb bis vor das letzte Blattpaar runter schneidet.
Nach etwa 10 Jahren lässt die Vitalität eines Horstes nach und der Zuwachs fällt spärlicher aus. Wer es wagt, kann dann an eine Teilung denken.
Jedoch spätestens wenn der Horst "rückwärts" wächst, also die Anzahl der Neutriebe abnimmt, muss geteilt werden, um einen Verlust des gesamten Horstes zu vermeiden. Das kann nach 10, das kann auch erst nach 20 Jahren der Fall sein, aber irgendwann wird diese Entwicklung einsetzen. Der Horst beginnt aus seinem Kern heraus abzusterben, was sich im ungünstigsten Fall binnen ein paar Monaten auf den ganzen Horst ausdehnen kann.
Über die Ursache dieser Entwicklung habe ich schon verschiedene Spekulationen gehört und gelesen; die einen sind der Meinung, es würden sich Ausscheidungen der Wurzelmasse ansammeln und ab einer gewissen Konzentration die Pflanze vergiften, andere sprechen einfach nur von einer Überalterung. Was es auch sei,- ich selbst habe eine solche Entwicklung bei meinem zuvor recht vitalen Horst C. calceolus erlebt und es geht an einer Entnahme aus dem Substrat kein Weg vorbei.
Eine bebilderte Anleitung -auch als Video- über die Teilung von Cypripedien findet sich im Forum von Michael Weinert (in englisch) und auf der folgenden Seite über die Teilung eines Cypripedium-Horstes.
Pleione formosana Brutzwiebeln (Oktober 2006)
Man wartet bis diese abfallen oder entfernt sie im Spätherbst manuell und überwintert diese Jungpflanzen die ersten zwei Jahre im Topf mit Seramis und Lehm in einem kalten Raum, bevor man sie dann im dritten Frühjahr auswildert.
Bild Links: Pleione formosana - nach 1 Jahr Topfkultur (Oktober 2006)
Bild Rechts: Pleione formosana blühfähig (Oktober 2006). Die Pfeile markieren die Austriebe des nächsten Jahres.
Bei Bletilla, Epipactis, Dactylorhiza und Gymnadenia lässt man der Natur einfach ihren Lauf: Die beiden ersten Arten vermehren sich ohne besonderes Zutun stark vegetativ, lassen sich bei Bedarf aber i.d.R. auch problemlos teilen. Außerdem erzielen alle diese Arten zusätzlich auch Zuwachs über Samen, der oft an brachliegenden, unbeachteten Stellen des Gartens Keimlinge entstehen lässt.
Bewusstes Aussähen an bestimmten Stellen bringt hingegen in der Regel nichts, siehe oben.