Schutzmaßnahmen im Winter
Alle hier beschriebenen und auch die Mehrheit der weiteren Cypripedien gelten als voll frostresistent. Hier gilt das besondere Augenmerk nicht dem Frost- sondern dem Nässeschutz im Winter.
Bletilla und Pleione formosana gelten hingegen als nur bedingt frostbeständig. Bei diesen Arten wäre es allerdings ebenso weniger problematisch, wenn starke Fröste auf die durch eine geschlossene Schneedecke geschützten Pflanzen treffen würden, da Temperaturen um den Gefrierpunkt durchaus vertragen werden, von Bletilla angeblich sogar bis – 5° C ohne Schneedecke. Für fast alle Freilandorchideen kritisch sind hingegen die in unseren Breiten immer wieder eintretenden „Nacktfröste“ ohne schützende Schneedecke im Wechsel mit Tauwetter und der Nässe durch starke Regenfälle.
Bild oben: Winterschutz Bletilla striata (Vlies + Luftnoppen-Folie)
Bild oben: Pleione formosana - 1. Abdeckung mehrlagiges Vlies
wie Bild Mitte mit zusätzlicher Plexiglas-Abdeckung
Meine besten Erfahrungen habe ich mit folgenden Maßnahmen gemacht:
Die Cypripedien reagieren positiv auf einen Schutz vor Nässe in den Wintermonaten ab Ende Oktober/Anfang November bis etwa Ende März/Anfang April.
Hier hat sich eine Abdeckung der Pflanzstellen mit einer frostbeständigen Plexiglasscheibe im Abstand von etwa 10 bis 20 cm vom Boden durch entsprechende Stützen, untergelegte Steine o.ä. bewährt. Falls nach dem Austrieb und der beginnenden Blattentfaltung noch einmal stärkere Fröste oder gar Schneefall drohen, habe ich die Pflanzen jedoch auch nach Entfernung des Winterschutzes vorübergehend wieder abgedeckt, damit die Triebe nicht unnötig geschädigt werden oder gar schon fortgeschrittene Austriebe abknicken.
Es kommt vereinzelt vor, dass Cypripedien schon im Herbst ihre neuen, eigentlich für das kommende Jahr gedachten Triebe bereits recht weit -bis zu mehreren Zentimetern- aus dem schützenden Substrat schieben. Ebenso nachteilig kann es sein, wenn eine milde Periode mit einigen Plusgraden schon zeitig im Jahr zu einem frühen Austrieb führt, der dann, wie auch ein Herbstaustrieb, von einer späteren weiteren Frostperiode bedroht ist.
Gefährlich ist hierbei insbesondere, wenn die Triebe von der Wintersonne während einer solchen nachfolgenden Frostperiode beschienen werden. Sie werden dann mit hoher Wahrscheinlichkeit vertrocknen, entweder gänzlich oder zumindest die im Trieb ruhende Knospe.
In diesen Fälle reicht es meistens aus, für eine ausreichende Beschattung der Triebe, z.B. durch locker darübergelegte Reisigzweige zu sorgen, damit die Triebspitzen weiter gefroren bleiben und nicht durch die Sonnenbestrahlung auftauen, ohne Wasser aus dem gefrorenen Boden und dem Rhizom ziehen zu können.
Bei Herbstaustrieben kann es auch angebracht sein, diese einfach mit Substrat wieder soweit anzuhäufeln, dass sie wieder im Boden verschwinden.
Gänzlich ungeeignet ist der Vorschlag, den ich einmal in einem Forum gelesen habe, die neuen Triebe doch abzuknipsen oder "einzukürzen". Auch ein Ausgraben eines zu früh ausgetriebenen Stocks zwecks anschließender Überwinterung im Haus erscheint mir eher contraproduktiv, weil mit deutlich größerer Gefahr eines Totalverlustes verbunden.
Pleione formosana und Bletilla striata kommen gut durch jeden Winter mit ausreichendem Kälte- und zusätzlichem Nässeschutz.
Als Kälteschutz nutze ich in der Regel ein luftdurchlässiges Polyprophylen-Vlies, das in in 5 bis 6 Lagen über die Pflanzstellen direkt auf den Boden gelegt wird, an den Seiten durch kleine Steine gegen Verwehungen fixiert. Dieses Vlies ist ebenfalls in jedem Baumarkt oder Gartencenter als „Winterschutzvlies“ erhältlich, ist verrottungsfrei und damit nicht fäulnisgefährdend. Darüber kommt entweder eine durchgehende Noppenfolie doppellagig oder eine Abdeckung aus Plexiglas als Nässe- und zusätzlicher Kälteschutz. Auch diese Luftnoppenfolien, die vielfach in der Verpackung von bruchgefährdeten Materialien Verwendung finden, sind zwischenzeitlich in fast jedem Baumarkt als Stückware erhältlich.
Pleione limprichtii und Pl. bulbocodioides werden zwar als ausreichend winterhart bezeichnet, hier habe ich jedoch ebenfalls neben der durch die benachbarten Cypripedien bei mir ohnehin vorhandenen Nässeabdeckung eine zweilagige Abdeckung mit dem o.g. luftdurchlässigen Polyprophylen-Vlies vorgenommen und seither die zuvor eingetretenen vereinzelten Ausfälle verhindern können.
Allgemein gilt gerade für Pleione, egal ob im Haus oder im Freien überwintert, je trockener in der kalten Jahreszeit desto besser. Nässe in den Wintermonaten unterdrückt oft die Blütenbildung. Nässe und Temperaturen unter etwa 5° C sind vielfach der Tod der Bulben. Gegen jegliche Niederschläge geschützt, wie oben dargestellt, haben bei mir jedoch selbst Pl. formosana schon wochenlangen Dauerfrost überlebt. Die beiden Winter 2008/2009 und 2009/2010 sind gute Beispiele: Wir hatten ab Mitte November 2008 bis zur ersten Januar-Woche 2009 eine recht lange Frostpediode, nur von wenigen frostfreien Tagen unterbrochen, mit Tiefsttemperaturen von etwa - 13° C. Der darauffolgende Winter war noch extremer mit Tiefsttemperaturen bis - 18° C und ebenfalls mehrwöchigem Dauerfrost. Alle meine Pleionen inklusive P. formosana und formosana alba haben auch das mit der eingangs beschriebenen Abdeckung problemlos im Freiland überstanden.
Kritisch nicht nur für frühe Cypripedium sondern gerade auch für Pleione können Spätfröste werden, die in die bereits mehr oder minder weit ausgetriebenen neuen Sprossen eindringen. Hier kann man von Glück reden, wenn nur die Knospe geschädigt und eine Blütenbildung unterdrückt wird. Wer in einer Gegend mit solch drohenden Spätfrösten lebt, sollte schnell ein paar Schutzmaßnahmen zur Hand haben.
Regen oder Gießwasser sollte den Pleione-Bulben erst langsam mit Beginn der Wurzelbildung wieder zugeführt werden. Diese beginnt etwas später als der Frühjahrsaustrieb. Wenn ich die Winterabdeckung ca. Mitte bis Ende März entferne und damit die Pflanzen wieder beregnen lasse, haben die Knospen oder Blatttriebe im Schnitt rd. 3-4 cm Grösse erreicht.
Lediglich die kleinen Brutzwiebeln (Bulbillen) sollten in den Wintermonaten aus der Sprühflasche ab und zu eingenebelt werden, so dass sie nicht verschrumpeln.
Es finden sich immer wieder Nachrichten von Leuten, die generell eine Überwinterung von Pleione gleich welcher Art oder auch von Bletilla im Freien als unmöglich darstellen und wenn es doch gelingt, dies als Einzelfall oder "Glück" abtun. Ich halte das für Unfug und denke, die Tatsache, dass es hier im Bergischen Land seit jetzt rund 15 Jahren mit in einzelnen Jahren mehrwöchigen Kahlfrösten bis -18°C, wie oben schon erwähnt, klappt, beweist das Gegenteil. Allerdings muss auch zugestanden werden, dass es einerseits sicher klimatisch noch weitaus ungünstigere Gegenden gibt, in denen es u.U. tatsächlich nicht angezeigt ist, diese Arten im Freien zu überwintern. Andererseits sind auch von Bletilla striata und Pleione limprichtii verschiedene Klone im Umlauf, die ganz offensichtlich eine unterschiedliche Härte aufweisen und man sieht es ihnen nun einmal nicht an, ob man gerade ein "Weichei" erwischt hat oder nicht.
Epipactis, Dactylorhiza und Gymnadenia erfordern derartige Überlegungen nicht, sie benötigen keinerlei Winterschutz.
Achten Sie ergänzend unbedingt auf die Pflegeempfehlungen Ihres Orchideen-Händlers und fragen Sie im Zweifel dort noch einmal gezielt nach der Notwendigkeit eines Winterschutzes der speziell von Ihnen erworbenen Pflanze(n) in Ihrer Region.